Im Sommer 2015 erreichte uns ein erstes Schreiben aus Kpongong. Der Dorfchef wandte sich verzweifelt an uns mit der Bitte um Hilfe für seine Primarschule. Wenige Monate später folgten Fotos der aktuellen Situation, worauf wir erkennen konnten, dass die Kinder wie an so vielen Orten dieser Region nur in einer simplen Buschhütte unterrichtet werden können.
Ende September 2016 fuhren wir zum ersten Mal nach Kpongong, um unser eigenes Bild der Situation zu erhalten. Kpongong liegt 47 Kilometer entfernt von Nyamboya, welches auf jeder grösseren Kamerunkarte zu finden ist. Abgebogen Richtung Atta passiert man einen grossen und improvisierten «Kreisel» mitten im Busch in Form eines alten Lastwagenpneus. Jung und alt schauten uns mit grossen Augen an, als wir diese Piste passierten, weil höchst selten bis gar nie ein Fahrzeug vorbei kommt... Die Fahrt führt vorbei an Hüttchen mit Palmgrasdächern und an verschlafenen Örtchen mit Namen wie Kongui Douh, Sarkibarka und Lingam, in denen die Bewohner noch wie vor vielen Jahren in einfachster Art und Weise leben. Die Piste zu passieren war in der Regenzeit sehr schwierig, denn sie war übersät mit Schlammlöchern und enorm rutschig. Es galt, diverse abenteuerliche Holzbrücken mit breiten Flüssen zu passieren.
Kurz vor unserem Ziel bogen wir rechts in ein Nebensträsschen ab und konnten nun nur noch zu Fuss weitergehen, denn diese Brücke in unmittelbarer Nähe der Schule war eingestürzt! Wir packten alles Nötige aus dem Fahrzeug und liessen uns von den angerannten Kindern und Dorfbewohnern das letzte Stück Weg zu ihrer Schule zeigen. Zuerst ging es über wacklige Bretter waghalsig über den Fluss, danach zirka 1 Kilometer weiter auf eine flache und gerodete Ebene. Darauf entdeckten wir schon von Weitem zwei simple Buschhütten: die damaligen Schulhäuser. Wir staunten, wie einsam und abgelegen diese Schule auf dem grossen Gelände mitten in üppigem Grün seinen Platz gefunden hat. Eigentlich sah alles sehr idyllisch aus. Doch unter diesen Umständen einen ordentlichen Unterricht zu bekommen war mehr als schwierig.
Die Freude der Dorfbewohner war riesig und alle hiessen uns herzlich Willkommen. Sie erzählten, dass in diesen zwei Buschhütten 4 Klassen untergebracht sind. 142 Kinder aus drei umliegenden Dörfern von zirka 1 Kilometer Entfernung besuchen den Unterricht bei 2 Lehrern. Insgesamt leben um die Schule schätzungsweise 900 Bewohner. Sie sind hauptsächlich vom Stamme der Mambila, Yamba und wenigen Bororo. Ihre Glaubenszugehörigkeit ist Baptismus, sehr wenige sind Katholiken und Muslime. Alle sind einfache Ackerbauern und pflanzen Kaffeebohnen, Mais und Bananen an. Der nächst grössere Ort für die Einkäufe der Dorfbewohner liegt in 7 Kilometern Entfernung (Atta).
Wir erkundigten uns bei den Anwesenden, von wem und wann die Brücke geflickt werden kann. Denn ohne Brücke könnten wir kein Material für einen Neubau transportieren. Die guten Neuigkeiten waren, dass der Fluss während der Trockenzeit fast komplett leer ist und es möglich ist, den Weg ohne Brücke zu passieren. Die Regierung sei zudem bereits da gewesen und hätte die «Brückenbaustelle» begutachtet. In der Regenzeit können die Kinder die Schule oft gar nicht besuchen, weil der Fluss zu viel Wasser führt und es kein Durchkommen gibt. Dafür hat es in der Trockenzeit genug Sand, den sie für den Neubau daraus schaufeln konnten.
Der Präsident der Eltern namens Samplice wollte uns auf keinen Fall gehen lassen, ohne dass wir bei der Rückfahrt in seinem Compound anhielten. Zu gross war seine Freude, dass wir gekommen waren. Er war extrem dankbar, dass wir sein Dorf zur Kenntnis genommen und die schwierige Situation der Schule angeschaut hatten. Doch er haderte, weil er nicht gewusst hatte, dass wir kommen und bat uns, vor seiner Hütte Platz zu nehmen. Ein grosser Bund Bananen wurde vor uns deponiert, den wir auf den Weg mitnehmen durften. Zudem holte er aus der Hütte eine Flasche Gin und begann mit uns zu Trinken. Des Weiteren schenkte er uns einen Hahn. Er konnte diesen «fremden Besuch» nach wie vor nicht fassen und wiederholte mehrmals seine Freude über unser Vorbeikommen. Nachdem der Neubau besprochen und mit Alkohol «besiegelt» worden war, bete er für uns. Er betete, dass das Projekt gut kommt, dankte Gott für unser Erscheinen und dass wir persönlich gekommen waren, um uns ihre Schule anzusehen. Wir waren richtig angetan von diesen Dorfbewohnern und ihrer enormen und offenen Gastfreundschaft.
Der Startschuss für den Neubau war gefallen.
Im April 2017 waren wir erneut in Kpongong. Dieses Mal führte uns ein anderer Weg zum Dorf, bei welchem wir einen breiteren Fluss durchqueren mussten. Dort angekommen wurden wir bereits sehnsüchtig erwartet. Der noch sehr junge und zurückhaltende Dorfchef, Samplice, vier Dorfälteste sowie ein «Dorfanimateur» begrüssten uns freudig und hiessen uns offiziell Willkommen. Der Dorfchef hat der Schule für den Neubau ein riesiges Stück Land zur Verfügung gestellt. Wir setzten uns vor das neue Schulhaus und warteten gespannt darauf, was sie nun mit uns vor hatten. Die Männer bedankten sich für unsere Arbeit und erzählten, wie schnell, gut und reibungslos das Errichten geklappt hatte. Sie waren überaus dankbar und glücklich über das schöne Resultat. Auch Samplice hielt eine kurze Rede, in der er sich für unsere Grosszügigkeit bedankten und mitteilte, dass auch tausendmal Danke nicht ausreichen würde, um auszudrücken, was sie fühlen. Sie hätten ein nie erwartetes Geschenk entgegen nehmen dürfen...
Im Moment fehlt es noch an Tischen und Bänken für die Kinder mit Klassen von 1 bis 4. Wir teilten mit, dass nun erst einmal sie gefragt sind und wir nach einiger Zeit sehen möchten, wie sie unser Bauwerk pflegen und dafür sorgen, dass es schön bleibt. Und dass wir bestimmt wieder vorbeikommen, um nach ihnen zu sehen und dann schauen, was wir tun können. Mit dem übrig gebliebenen Material hatten sie sich immerhin bereits ein zusätzliches Häuschen für den Lehrer errichten können.
Dass die Kinder schon nach den Ferien am bevorstehenden Ostermontag in die neuen Klassen ziehen konnten erfreute uns riesig. Während unserer kleinen «Eröffungsfeier» kamen immer weitere Bewohner und Kinder hinzu. Zum Abschluss überreichten sie uns einen riesigen Bund Plantain, eine Flasche Palmöl und einen Hahn. Samplice entschuldigte sich, dass er dieses Mal keinen Gin mitgebracht hatte, um mit uns zu trinken. Beim nächsten Mal dann wieder... Dafür kam ein weiterer Junge und drückte uns einen zweiten Hahn in die Hände. Alle freuten sich sehr über das erfolgreich abgeschlossene gemeinsame Bauprojekt.
Dieses Primarschulhaus konnten wir dank einer Hinterlassenschaftsspende errichten. Das Gebäude besteht aus zwei Schulräumen mit stabilen und einbruchsicheren Eisentüren.