Ende Dezember 2015 fuhren wir zum ersten Mal nach Mayo Soum Soum. Dieses kleine Örtchen liegt in der Nähe von Mayo Darle. In der Dorfmitte von Mayo Darle fährt man zuerst 4,5 Kilometer weg von der Hauptstrasse geradeaus über einen schmalen und holprigen Trampelpfad in den Busch. Danach biegt man links ab und fährt weitere 7,5 Kilometer Richtung Westen / Nigeria. Bald kommen auf dieser Fahrt in der Ferne hohe Berge in Sicht, welche die Landesgrenze bilden. Der nächste grössere Ort zu Mayo Soum Soum ist die nigerianische Ortschaft Dorofi. Nach einer kleinen Baptisten-Kirche passiert man den letzten offiziellen Grenz-Kontrollpunkt von Kamerun nach Nigeria. Dies in Form von einigen Holzstäben, die eher wie ein improvisierter Kuhzaun aussehen. Der Dorfname bedeutet Fluss (Mayo), an dem eine Frucht aus dem Busch wächst, die den Namen Soum Soum trägt. Das Dörfchen ist gesegnet dadurch, dass sie diesen Fluss ganz in der Nähe haben.
Der Pfad wurde immer enger und schon seit Monaten oder Jahren war hier kein Auto mehr gefahren. Es war eine holprige und abenteuerliche Fahrt über einen schmalen Fusspfad. Mit auf unserem ersten Besuch im Dorf war Lehrer Olivier Momo. Er zeigte uns den Weg zu seiner Schule. Bereits vor Monaten hatte er uns seine Not in einem Brief erklärt und uns um Hilfe gebeten. Nun wollten wir uns mit eigenen Augen ein Bild der Situation verschaffen. Einmal mehr fanden wir eine Schule in Form einer simplen Buschhütte ohne Wände, mit Strohdach und einfachsten Holzlatten, auf welchen die Kinder sitzen mussten. Für den Lehrer stehen keinerlei Mittel zur Verfügung. Weder eine Wandtafel noch sonstiges Mobiliar. Olivier ist seit 4 Jahren hier tätig. Er ist einer von drei von der Regierung zur Verfügung gestellten Lehrer des Ortes. 60 Kinder besuchen diese simple Schule von der 1. bis zur 5. Klasse. Das Schulgeld beträgt rund CHF 2.50 pro Schuljahr. Der Lehrer zeigte uns, wie die Kinder auf Holzästen oder Steinen am Boden sitzen und auf den Beinen schreiben müssen. Der Unterricht ist aufgrund dessen äusserst schwierig zu führen. Viele Kinder schwänzen die Schule und kommen nur sehr ungern, weil diese Hütte keinerlei Anziehungspunkt bietet und es sehr schwierig ist. Bei Regen tropft es ihnen auf die Köpfe und bei Sturm kippt die ganze Hütte um und der Unterricht muss ausfallen.
Zirka 50 Hüttchen stehen verstreut in diesem «Niemandsland». Alle sind mit Strohdächern und aus Erdblöcken auf dem Erdboden erstellt. Einige Hühner und Ziegen laufen herum. In Mayo Soum Soum leben schätzungsweise 800 muslimische Bewohner des Stammes der Yamba und Fulbe (ein ursprünglich nomadisierendes Hirtenvolk). Wie viele Bewohner das Dorf genau hat, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. 50 Hütten bedeuten auch 50 Familien, wussten sie uns Auskunft zu geben. Es gibt keinen Laden. Alles, was sie nicht selber von der Farm ernten können, besorgen sie zu Fuss in Mayo Darle. Der Höhepunkt des Dorfes ist eine kleine Moschee. Die Bewohner waren wie überall in diesen kleinen Dörfchen der Region enorm aufgeschlossen gegenüber uns «Fremden». Dorfchef Jaro zeigte uns sein Dorf. Die Erwachsenen sprechen aussliesslich Fulfulde, während sich die Kinder, welche die Schule besuchen, mit uns in Französisch unterhalten konnten. Wir erfuhren mit Hilfe unseres einheimischen Übersetzers, dass wir die ersten Weissen sind, welche jemals ihr Dorf besucht haben. Umso überraschter waren wir, dass sich keines der Kinder vor uns fürchtete. Ganz im Gegenteil, sie waren überaus gut erzogen, grüssten alle freundlich mit den Händen und waren sehr offen und ohne Angst uns gegenüber. Lehrer Olivier erzählte, dass er viel über Geografie unterrichtet und die Kinder deswegen sehr viel über die Welt verstehen. Er bemüht sich wirklich, um seine Kinder zu motivieren. «Wenn ihr nicht fleissig in die Schule kommt, wird diese Schule geschlossen», teilte er ihnen mit.
Bei unserem ersten Besuch konnten wir dank einer Hinterlassenschaftsspende den Startschuss zum Neubau dieses Primarschulhauses geben. Das Gebäude besteht aus zwei Schulräumen. Eine stabile Eisentüre sorgt für Schutz vor zerstörenden Termiten. «Wenn wir Euch helfen, eine Schule zu bauen, wie sieht euer Anteil aus?», fragten wir den Dorfchef und die Bewohner. Sie teilten uns mit, sie holen Sand aus dem Fluss und beschaffen die Steine. Zudem roden sie den Busch und begradigen den Untergrund, um Platz für den Neubau zu schaffen. Die Frauen verpflegen derweil die Arbeiter mit Nahrung. Im Dörfchen stellen die Bewohner unseren auswärtigen Arbeitern eine Hütte zur Verfügung, in welcher sie während des Aufenthaltes wohnen können. Dorfchef Jaro wollte am liebsten gleich mit der Arbeit anfangen, so sehr freute er sich auf den Neubau. Er werde überall mithelfen, wo es ihn benötigen würde. Das ganze Land gehört ihnen und sie konnten sofort starten. Wir freuten uns über das Engagement der Dorfbewohner und des Lehrers.
Ende Februar 2016 waren wir erneut vor Ort. Zu unserer freudigen Überraschung konnten wir schon von weitem unser neu entstehendes Bauwerk bestaunen. Die Mauern waren in nur 6 Wochen und reiner Handarbeit bereits fertig hochgezogen worden. Unser Arbeitsteam bestehend aus 4 Maurern und 3 Dachdeckern hatte gemeinsam mit den Dorfbewohnern wirklich gute Arbeit geleistet. Der Dorfchef überreichte uns als Dank für die grossartige Arbeit in seinem Dorf ein Huhn. Auch hier konnten wir nicht losfahren, bevor für uns ein Gebet ausgesprochen worden war.
Im September 2016 bestaunten wir das neue Gebäude selber vor Ort und eröffneten es offiziell. Soweit sah alles ordentlich aus, nur ein Fenster war bereits eingestürzt und muss repariert werden. Viele Dorfbewohner und alle Kinder waren anwesend. Wir teilten ihnen mit, dass sie Sorge zu dem neuen Gebäude tragen müssen. Denn eines Tages würden die Spender vorbeikommen, um es sich anzusehen. Der Schulhausplatz müsse zudem immer sauber bleiben. Die Bewohner dankten uns von Herzen für die zwei Klassenzimmer und waren überglücklich. Sie waren sehr zufrieden. Auch wenn es nach wie vor unter ihren Nägeln brennt, dass sie eine Trinkwasserstelle benötigen. Was sie nicht scheuten, uns mitzuteilen. Auch an Schulbänken für die Kinder fehlt es noch. Wir teilten ihnen mit, dass wir wieder kommen und sie nicht vergessen. Doch nun wollen wir zuerst sehen, wie sich das Dorf mit der neuen Schule «schlägt» und ob sie unsere Wünsche und ihre Versprechen einhalten.
Wir schlugen vor, dass sie einen Zaun um die Schule errichten, damit die Kühe fern bleiben. Wenn jede Familie einen Ast oder zwei bringt, ist es machbar. Zum Schutz für das schöne, neue Gebäude. Dorfchef Jaro bedankte sich erneut bei uns. Wir seien von soweit her gekommen und es sei eine grosse Ehre für ihr Dörfchen. Sie hätten weitum die schönste Schule und seien so stolz. Für uns sei jederzeit eine Hütte offen, wenn wir bei ihnen bleiben wollen. Sein Dank wollte kaum ein Ende nehmen. Bevor wir uns verabschiedeten, wurde einmal mehr für uns gebetet.
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Ende Februar 2016: Einige Primarschulkinder von Mayo Soum Soum.
Ende Februar 2016: Die Frauen von Mayo Soum Soum zeigen uns, wie sie Mais mahlen.
Ende Dezember 2015: Kurzfilm über Mayo Soum Soum und ihre «Schule».