Im Dezember 2013 fuhren wir das allererste Mal nach Tchamba. Auf der Suche nach einem unserer operierten Kinder namens Rachidatou schlugen wir den Weg in dieses kleine und abgelegene Buschdörfchen ein. Es liegt rund 21 Kilometer abseits der «Hauptstrasse» (Piste), die vom Norden des Landes nach Süden führt. Zuerst geht der Weg nach Ndoumdjandi und von dort aus rechts weg, wo die Piste nach und nach enger und schwieriger zu befahren ist. Ohne Buschmesser gibt es auf den schmalen Fusswegen kein Durchkommen. Die Piste führt über enge und abenteuerliche Holzbretterbrücken. Frauen und Kinder waschen darin ihre Kleider, Töpfe und sich selber.
Die Bewohner leben gänzlich ohne Elektrizität und Telefonnetz mitten im Busch. Sie leben in einfachsten Hütten mit Strohdächern. Ihre Landschaft ist geprägt von hohen Bäumen und Gräsern. Auch Kaffeeplantagen, Reisfelder Plantain, Mais, Erdnüsse, Yams und Cassava werden bewirtschaftet. Hohe Bananenstauden bieten etwas Schutz vor der brennenden Sonne, die bis 40 Grad vom Himmel brennt. Des Öfteren entsteht ein loderndes Buschfeuer im ausgetrockneten und meterhohen Gras. Die Region ist ein sehr guter Platz für Landbewirtschaftung. Man versucht sich nebst dem Eigenanbau mit Buschfleisch wie Ratten zu ernähren.
Das Dorf hat knapp 2000 Bewohner, nahezu alle sind mittellos und einfache Bauern. Die meisten von ihnen sind Christen und es hat mehrere einfache, kleine Kirchen. Die Sprache des Dorfes ist Quanja. Das Dorf bietet drei winzige Geschäfte (eine Art Kiosk), wo man das Nötigste einkaufen kann. Wie zum Beispiel verschiedene Süssgetränke, Taschenlampen, Körpercrème, Schlösser, Buschmesser, Plastiktaschen, Flipflops, Milchpulver und Waschmittel (in winzige Säckchen abgefüllt), Zigaretten, Zahnbürsten, Kekse und Tomatenkonzentrat (in ebenfalls winzig kleinen Büchsen). In einem Hüttchen von 3 x 4 Meter hat so allerlei Platz. In der Dorfmitte hat es einen Marktplatz, wo einmal pro Woche Markt ist.
In Tchamba kommt niemand per Zufall vorbei. Warum auch? Das Dorf hat wenig zu bieten und kaum Transportmöglichkeiten. Kein Wunder, dass sich die Kinder so sehr über eine kurze Autofahrt mit uns gefreut haben. Zum allerersten Mal in ihrem Leben fuhren sie mit uns auf einer Ladefläche mit! Dem entsprechend gross waren ihre Freude und ihr Kreischen während der Fahrt. Dazu noch mit «Nassara», wie sie uns begeistert zuriefen (weisse Person). Ein absolutes Highlight für alle.
Viele Kinder in Tchamba leiden an Unterernährung und haben grosse Hungerbäuche oder deformierte Beine aufgrund von Mangelernährung, wie Rachidatou es hatte. Das Hab und Gut der durchschnittlichen Bewohner besteht aus ein paar Töpfen, Pfannen und einem Bett aus Bambus. Im besten Falle gehören noch ein paar Ziegen dazu. Das Wasser holen sich alle Dorfbewohner aus dem einzigen und verschmutzten Fluss.
Unsere Rachidatou besuchte – wie so viele Kinder in Kamerun – eine simple Buschhütte, die als Schule funktionierte. Ein einfaches Konstrukt mit geflochtenen Matten aus Palmblättern. Ein paar Holzäste hielten das ganze Gerüst. Auch die schmale und kleine Eingangstüre bestand aus einer geflochtenen Matte. Im Innern lagen ein paar winzige Holzhocker und Erdblöcke als Stühle auf dem nackten Erdboden. Für den Lehrer hatte es einen kleinen Holzstuhl und ein ebenso winziges Tischchen. Eine Wandtafel auf der Vorderseite war der einzige Luxus, den sie sich leisten konnten.
126 Kinder in zwei Klassen gingen hier im Schuljahr 2013/2014 zur Schule. Die Schule wurde im Jahr 2010 durch Eltern ins Leben gerufen. Es existierten Klassen von der ersten bis zur dritten und ein Schuljahr kostet 3000 CFA (5.60 CHF). Damit kann der Lehrer finanziert werden. Die Schule aufrecht zu erhalten war fast ein Ding der Unmöglichkeit. In jeder Regenzeit stürzte ihr Konstrukt erneut ein und sie mussten von Neuem beginnen. Viele Kinder in Tchamba besuchen auch heute noch keine Schule. Sie kennen ausschliesslich die Koranschule. Wir erzählten ihnen, dass Schule etwas Gutes ist. Dass wir dort Geschenke verteilen, wie zum Beispiel Fussbälle oder Schultaschen sowie Hefte und Stifte für alle Kinder. Um sie zu motivieren, ebenfalls hinzugehen.
Bei unserem dritten Besuch im Dorf im Dezember 2014 waren wir soweit, dass wir das kleine Dörfchen über unser Projekt «Neubau einer Primarschule» informieren konnten. Wir tasteten uns zum Dorfchef namens Jean-Claude vor. Ein Bursche brachte uns zur ebenfalls einfachen Hütte von ihm. Aus den Fenstern guckte ein Nobel (Angestellter des Fons) und bat uns nach einer kurzen Weile in die Hütte. Wir wurden informiert, dass der Dorfchef ihr Fon (König) ist und wussten, dass es somit nicht erlaubt ist, ihm die Hand zu schütteln. Gespannt setzten wir uns auf die für uns bereit gestellten vier Plastikstühle und begrüssten den Fon dementsprechend mit gemeinsamem viermaligem Klatschen in unsere Hände. Er selbst sass auf einem gepolsterten Holzstuhl hinter einem kleinen Holztischchen mit Tischtuch. Auf dem Tisch lag sein Hab und Gut des Büros: zwei Stifte, ein Zahnstocher, ein Paket Taschentücher, eine Agenda, ein Heftapparat und ein Stempel mit Stempelkissen. Von der Decke hing eine aus einem Generator betriebene Glühbirne.
Nachdem wir uns sehr formell vorgestellt und unser Vorhaben erklärt hatten, überliessen wir dem Fon das Wort. Er bedankte sich auf Französisch für unseren Besuch. Wir seien von Gott geschickt worden und dies sei für ihn und seine Gemeinde ein grossartiger Tag. Er strahlte, das seien sehr gute Neuigkeiten und er freue sich enorm. Er hiess uns herzlich willkommen und wurde immer lockerer im Umgang mit uns. Er könne das Baumaterial sichern und in seinem Haus lagern. Wohl bemerkt, dass unsere Schule nachher besser als sein Gebäude aussehen würde... Er wurde uns umgehend sympathisch, denn er ist sehr volksnah und offen. Sein ganzer Stolz ist sein Mofa mit Tigerfellverkleidung. Er spricht sogar aus seiner Schulzeit einige Worte Deutsch, ist sehr gebildet und organisiert. Und trotzdem wohnt er abgeschieden in dieser simplen Buschregion. Zum Abschluss streckte er uns sogar seine Hand hin, um sich von uns zu verabschieden.
Im Dezember 2015 konnten wir wieder vor Ort sein und das inzwischen fertige Bauwerk bestaunen. Die Bemalung war zwar nicht ganz perfekt. Dies aufgrund dessen, dass der Verputz sehr rauh ist und deswegen nicht gut bemalt werden konnte. Auf der rechten Seite waren noch drei kleinere Löcher vom Gerüstbau zu sehen und eine Treppe zum rechten Klassenzimmer fehlte. Wir baten den Baumeister darum, dies doch umgehend fertig zu stellen, damit wir wirklich zufrieden sein können. Da die Schule keine Toilette hat, versprachen wir, ihnen mit einer Toilette zu helfen, wenn sie sich nun anstrengen und umgehend die letzten kleinen Mängel beheben.
Dorfchef Jean-Claude teilte mit, die Schule sei vorher eine Schule aus Elterninitiative gewesen. Nun ist es eine Regierungsschule. Der Staat hat im September zwei Lehrer geschickt und ein weiterer PTA-Lehrer wird vom Dorf zur Verfügung gestellt. Die Schule hat zwischenzeitlich 132 Kinder und Klassen von 1 bis 6. Jean-Claude und seine Männer bedankten sich mehrmals. Für sie sei es nach wie vor ein grosses Wunder, dass sie eine solche Hilfe erhalten hätten. Sie seien sehr zufrieden und wir seien von so weit her gekommen, um ihnen zu helfen. Sie würden für uns beten, dass wir wieder gut nach Hause kommen.
Wir übergaben dem Dorfchef eine grosse Solarlampe, die wir im Koffer mitgebracht hatten. Er hatte uns letztes Mal gefragt, ob es eine Möglichkeit gäbe, ihnen mit Licht zu helfen. Wir beschlossen, die Lampe an seinem Haus anzubringen. So dass alle Dorfbewohner davon profitieren können. Er freute sich sehr über das Geschenk und überreichte uns als Dankeschön einen lebenden Hahn! Als Abschluss beteten alle gemeinsam für uns.
Dieses neue Primarschulhaus konnten wir dank Spenden der Laservision AG in Uster und des Vereins EHC Seewen anlässlich ihres Charity Games 2014 realisieren. Es besteht aus zwei Schulräumen mit qualitativ hochwertigen Zementblöcken. Eine stabile Eisentüre bietet Schutz vor den zerstörenden Termiten. Das Schulhaus ist einmal mehr weit und breit das schönste in der ganzen Region und die Bewohner sind überglücklich, dass wir ihnen geholfen haben, eine neue Schule zu errichten.
4000 Blöcke aus 20 Kubik Sand / 15 Kubik Beton, 110 Pack Zement à 50 kg, 120 Stangen Armierungseisen, 60 Dachlatten, 68 Zink-Bleche für das Dach, 50 Latten für das Baugerüst, 2 Eisentüren