Der Schweizer Verein Noma-Hilfe.ch setzt sich schon seit Jahren für Noma-Patienten ein. Über eine uns und diesem Verein nahestehende Person wurden wir gefragt, ob es in unseren Regionen ebenfalls Noma-Patienten gibt. Erste Recherchen und Fragen nach Noma ergaben überall ein klares «Nein». Bis uns klar wurde, dass diese Krankheit sehr wohl existiert, doch niemand den Namen dafür kennt. Denn aufgrund von gezeigten Fotos betroffener Patienten aus anderen Ländern entdeckten wir plötzlich mehrere Fälle in der Region Extrême-Nord Kamerun.
Mariam entdeckten unsere Helfer in Dom-Tchandoum, einem winzig kleinen Ort im Busch, 15 Kilometer von Gobo entfernt. Einem Ort, der ausser kleinen Lehmhütten-Gehöften, Baumwoll- und Hirsefeldern nicht viel mehr zu bieten hat. Die 28-Jährige litt schon seit sie 2 Jahre alt war an der Krankheit Noma. Noma (auch Wangenbrand genannt) ist eine schwere bakterielle Erkrankung, die sich auf der Mundschleimhaut entwickelt und von dort ausgehend andere Weich- und Knochenteile des Gesichts zerfrisst. Noma ist nicht ansteckend und befällt unterernährte, immungeschwächte Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren.
Mariam ist die Erstgeborene ihrer Familie und hat 8 jüngere Geschwister. Ihre Krankheit begann gemäss eigener Aussage mit einem Abszess im Mund. Die Eltern brachten sie damals in ein Spital im Tschad. Die dortige Behandlung half ihr nicht. Weitere traditionelle Ärzte der Region versuchten ebenfalls auf ihre Weise, Mariam zu behandeln. Nichts half und über die Jahre deformierte sich ihr Gesicht ständig stärker. Die Schule konnte Mariam nie besuchen. Aufgrund dessen spricht sie ausschliesslich den in ihrer Region gesprochenen Dialekt Moussey, dessen Volksstamm sie angehört.
Mariam ist verheiratet mit dem 80 Jahre alten Samuel Djoblia (arrangierte Zwangsheirat). Sie wurde bereits im Alter von zirka 17 Jahren verheiratet. Die junge Frau ist einfache Bäuerin und die Einzige, welche ihren in die Jahre gekommenen Ehemann betreut. Nebst dem 80 Jahre alten Ehemann muss sie sich zudem um dessen noch ältere Schwester kümmern, welche über 95 Jahre alt ist. Die betagte Schwägerin hat keine anderen Angehörigen, ist komplett mittellos und lebt ohne Kleider und ohne Schuhe. Mariam ist Ernährerin von beiden. Mit ihrem Ehemann hat Mariam eine 7-jährige Tochter. Die beiden lebten mehrere Jahre kinderlos, bis sich Nachwuchs einstellte.
Bis vor dem ersten Besuch im Juli 2017, als sie weitere Betroffene bei einem allerersten gemeinsamen Röntgenuntersuch traf, waren Mariam keine weiteren Personen bekannt, welche die gleiche Krankheit wie sie hatten. Mariam war mit ihrer Deformation sehr frustriert. Ihr fehlten 4 Zähne im Oberkiefer und 6 Zähne im Unterkiefer. Doch sie hatte ihr Schicksal angenommen und es in Gottes Hände übergeben. Denn nur er wisse, warum... Ihr Ehemann und sie stimmten nach einem gemeinsamen Gespräch mit uns überglücklich einer Operation und Behandlung zu. Beide beteten von ganzem Herzen, dass dank Ashia diejenige Hilfe kommt, auf welche Mariam nun so viele Jahre hatte warten müssen.
Mariams Traum konnte ermöglicht werden. Nach dem ersten Besuch schickten wir ihre Röntgenbilder an unsere Schweizer Partnerorganisationen Noma-Hilfe.ch, Sentinelles.org und HUG-GE.ch (Dr. Prof. Pittet). Gemeinsam wurde organisiert und finanziert, dass Mariam eine Behandlung in Burkina Faso erhielt und wir beantragten im Januar 2018 alle benötigten Reisedokumente für sie und ihre Begleitperson (Übersetzer).
Kurz vor ihrer Abreise besuchten wir Mariam im Dezember 2017 nochmals persönlich, um sie auf ihre grosse Reise und die Operation vorzubereiten. Für das Gehöft war unser Besuch eine Sensation. Waren wir nun ihre Attraktion oder sie unsere? Kinder, die auf Ponys ohne Sattel und Zaumzeug ritten und Fahrräder ohne Bremsen steuerten. Menschen, die ihre Schlafstätten draussen im Freien auf dicken Holzästen hatten, ohne jegliche Matratze und darunter für die kühle Nacht ein offenes Feuer. Menschen, die ihre Toten unter Bäumen beerdigen.
Als Willkommensgeschenk erhielten wir Wasser zum Trinken und eine Familie brachte einen Sack voller geernteter Sesam-Samen. An allen Ecken und Enden gab es etwas zu sehen und entdecken. Die Nachbarn kamen angerannt, lachten, bestaunten uns und konnten kaum glauben, dass weisser Besuch bis hierhin zu ihnen gekommen war. Mariam wurde endlich einmal nicht ausgelacht, sondern bewundert. Denn sie hatte es geschafft, diesen Besuch zu bringen. Nachdem wir uns mit ihr ausgetauscht und Fotos gemacht hatten, waren wir sicher, dass Mariam nichts mehr zurückhalten kann, um nach Burkina Faso zu reisen. Auch ihr Mann stand nach wie vor vollkommen hinter ihr und bestätigte, er käme gut für einen Monat alleine zurecht. Mariam war mehr als bereit für den bevorstehenden Eingriff.
Am 18. Januar 2018 landete Mariam in Ouagadougou, wo sie von unseren Partnerorganisationen aufgenommen und betreut wurde. Bereits am 23. Januar 2018 wurde Mariams Operation ausgeführt. Der 6-stündige Eingriff, die Heilung und die anschliessende Physiotherapie verliefen problemlos. Auch wenn Mariam nach dem aufwändigen Eingriff unter starken Schmerzen litt, blieb sie stets tapfer und verlor nie ihre positive Einstellung. 5 Wochen später durfte sie am 26. Februar 2018 ihre Rückreise nach Kamerun antreten.
Als Mariam zurück in ihr Dörfchen kam, wurde sie wie ein Star gefeiert und alle freuten sich mit ihr über ihr neues, gesundes Leben ohne Gesichtsentstellung. Sie und ihre Familie werden auch in Zukunft von uns unterstützt und begleitet werden. Durch ihre fröhliche Art ist Mariam automatisch zu einer Botschafterin der Krankheit Noma geworden, um weitere Betroffene zu ermuntern, aus ihren versteckten Hütten zu kommen und sich helfen zu lassen.
Die Behandlung von Mariam konnten wir dank Zusammenarbeit und finanzieller Unterstützung mit den erwähnten Partnerorganisationen ausführen lassen. Ashia organisierte die komplette Abwicklung in Kamerun.
WIR DANKEN ALLEN BETEILIGTEN VON GANZEM HERZEN!